So sicher wie das Amen im Gebet werden jedes Jahr im Mai die Eisheiligen zum Thema. Wo liegen ihre Ursprünge? Werden sie ihrem zweifelhaften Ruf tatsächlich gerecht? Und wie sieht es in diesem Jahr mit (Boden-)Frost aus?
Die kalten Fünf
Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie (oder Sophia) - diese Namen sind vielen bekannt, schliesslich machen sie praktisch in jedem Jahr auf die eine oder andere Art von sich reden. Diese fünf Menschen lebten im vierten und fünften Jahrhundert. Zwei waren katholische Bischöfe, drei von ihnen gingen als christliche Märtyrer in die Geschichte ein. Sie wurden allerdings erst Jahrhunderte später vom Papst heilig gesprochen, zudem erhielten sie jeweils einen Ehrentag zugewiesen. Im Mittelalter war die Landwirtschaft und der Ertrag der Ernte essentiell für das Leben und Überleben der bäuerlichen Bevölkerung, mehr oder weniger regelmässig auftretende Wettereignisse wurden mit Lostagen verknüpft. Späte Kaltlufteinbrüche konnten die ausgesäten Pflanzen schädigen und so im weiteren Verlauf des Jahres für Hunger sorgen.
Frühling – eine Zeit von grossen Schwankungen
Beim Wort Frühling stellt sich bei vielen Menschen ein Bild von Sonnenschein, blühenden Blumen und zwitschernden Vögeln ein. Doch tatsächlich ist das Frühjahr eine Zeit des Wechsels und grosser Veränderungen! Aus dem Winter heraus sind Böden und Gewässer noch kalt, in den höheren Breiten liegen oft noch umfangreiche Kaltluftpakete. Mit dem allmählich höheren Sonnenstand steigt auch der Energieeintrag mehr und mehr an. Dabei erwärmt sich die Landmasse schneller, als Meere und Seen. Diese differentielle Erwärmung ist auf regionaler wie globaler Ebene der Motor für jegliches Wettergeschehen! Temperaturunterschiede führen unmittelbar zu unterschiedlichen Druckverhältnissen, es bilden sich Hoch- und Tiefdruckgebiete. Je grösser der Kontrast auf engem Raum, umso dynamischer ist das Wetter.
So ist es ganz typisch für den Frühling, dass sich im Laufe von März und April auch schon milde oder sogar warme Phasen einstellen. Typisch ist aber auch, dass es später auch wieder zu Rücksetzern und Kaltlufteinbrüchen kommt. Nicht in jedem Jahr ist der Mai wonnig, sonnig und warm! Kalte und nasse Tage gehören ebenso mit dazu. Und das war eben auch schon im Mittelalter so, zusätzlich überlagert von klimatischen Schwankungen wie etwa der kleinen Eiszeit (v.a. 16. und 17. Jahrhundert). Glaube und Kirche spielten für die Menschen eine massgebliche Rolle und prägte das Leben in allen Belangen, sie orientierten sich an Lostagen und baten bei Problemen und Nöten unterschiedliche Heilige um Hilfe. Auch sonst nahmen diverse Bauernregeln damals ihren Ursprung. Nun kam es allerdings zur Gregorianischen Kalenderreform. Sie ist benannt nach Papst Gregor XIII., der 1582 die Umstellung vom Julianischen Kalender mit einer päpstlichen Bulle verordnete.
Abb. 1: Papst Gregor XIII.; Quelle: Wikipedia
Die Reform hatte den Zweck, ein weiteres Auseinanderdriften von Kalender- und Sonnenjahr und die zunehmen falsche Datierung der Osterfeiertage zu verhindern. Wenn man diese Verschiebung mit in Betracht zieht, liegen die Eisheiligen eigentlich zwischen dem 19. Mai und dem 23. Mai. Wer als Eisheiliger gilt, ist aber ohnehin regional unterschiedlich!
Regionale Unterschiede
Den Start macht in jedem Jahr am 11. Mai Mamertus. Streng genommen muss allerdings gesagt werden, dass Mamertus nur in Norddeutschland zu den Eisheiligen gehört. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz wird oft der Tag des Pankratius als Start der Eisheiligen bezeichnet. Dafür folgt bei uns am Ende die Kalte Sophie, welche dagegen weiter im Norden nicht mehr dazu gezählt wird. Eine mögliche Erklärung für die Verschiebung zwischen Norddeutschland und dem Alpenraum ist, dass ein allfälliger Kaltluftausbruch meist von Norden her kommt, und somit die Schweiz und Österreich später erreicht.
Was sagt die Klimatologie?
Die Eisheiligen werden als eine sogenannte meteorologische Singularität bezeichnet, sind aber keine. Sie sind aus jahrhundertalten Überlieferungen von beobachteten Kaltluftvorstössen und Frühjahrsfrösten entstanden. Wie oben beschrieben sind diese für Mai ganz normal und keine Seltenheit, allerdings treten sie auch nicht in jedem Jahr auf (mehr zu den umfangreichen Facetten des Mai gibt es in diesem Blog). Das Wetter funktioniert nicht nach Fahrplan, die Jahre unterscheiden sich. Laut einer Statistik der MeteoSchweiz gibt es bei uns tatsächlich keine Häufung von Tagen mit Bodenfrost (oder sogar Luftfrost) während der Eisheiligen. Sie sind viel mehr fast homogen über den Monat verteilt, die Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit nimmt dabei von Anfang bis Ende Mai stetig ab. Ob also ein Kaltluftvorstoss genau auf die Zeit der Eisheiligen stattfindet oder nicht, ist reiner Zufall.
Abb. 2: Häufigkeit von Bodenfrost im April und Mai 1965-2021 im Schweizer Mittelland.; Quelle: MeteoSchweiz
Und dieses Jahr?
Der Mai zeigt sich bisher von der oft wechselhaften und nassen Seite. Die Temperaturen liegen – vielleicht entgegen dem Bauchgefühl – sogar über der langjährigen Norm. Vor allem die eher milden Nächte (im Schnitt rund 2.5 Grad über dem Durchschnitt) fallen da ins Gewicht. Erklärbar ist dies mit den oftmals vielen Wolken, die eine gute Abstrahlung und damit Auskühlung über die Nachtstunden verhinderten oder abschwächten. Auch in den kommenden Tagen ändert sich an der Grosswetterlage nicht allzu viel. Es bleibt wechselhaft und nach einem leichten Temperaturrückgang zur Wochenmitte einigermassen mild temperiert. Die Gefahr von Luftfrost (auf 2 Metern Höhe) im Mittelland über den Zeitraum der Eisheiligen ist nicht gegeben, auch Bodenfrost (5 Zentimeter ab Boden) wird es höchstens ganz lokal geben. Bei idealen (Abstrahl-)Bedingungen liegen die Temperaturen am Morgen und in Bodennähe nämlich zwischen 3 und 6 Grad tiefer als in 2 Metern Höhe.
Abb. 3: Temperaturverlauf in den kommenden Tagen für Zürich; Quelle: MeteoNews