Die Hurrikansaison im Atlantik hat am 1. Juni offiziell begonnen, mit Arlene gab es inzwischen auch schon den ersten getauften Sturm. Die Saison verspricht spannend zu werden, denn es treffen verschiedene Faktoren aufeinander. In der Folge ist es nicht verwunderlich, dass sich die Vorhersagen der verschiedenen Institutionen bezüglich dem Verlauf der Sturmsaison erheblich unterscheiden.
Arlene – der erste Sturm der Saison
Arlene bildete sich am 1. Juni im Golf von Mexiko und wurde am Folgetag zum Tropensturm hochgestuft, in Folge dessen erhielt das System den ersten Namen auf der für diese Saison reservierten Liste. Der Sturm näherte sich Kuba an, hat sich inzwischen aber bereits wieder aufgelöst. Die bereits definierten Namen lauten:
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Offizielle Prognose der NOAA
Im März und April veröffentlichten bereits Wetterdienste und Universitäten ihre Prognosen für die atlantischen Hurrikansaison 2023 (sie weiter unten), am 25. Mai folgte nun die NOAA. Sie geht mit einer Wahrscheinlichkeit von 40% von einer durchschnittlichen Aktivität aus, jeweils 30% gibt es für eine über- oder unterdurchschnittliche Saison.
Quelle | Datum der Prognose | benannte Stürme | Hurrikans | starke Hurrikans |
NOAA | 25. Mai 2023 | 12 bis 17 | 5 bis 9 | 1 bis 4 |
Die Spannweite ist also auch bei der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) gross. Nicht nur die Fachwelt blickt mit Spannung auf die kommenden Monate.
El Niño vs. aussergewöhnlich hohe Wassertemperaturen
Seit unserem Blog vom 13. April haben sich die Prognosen zur Entwicklung von El Niño weiter gefestigt. Das Wasser vor der Küste von Peru und Ecuador ist schon jetzt aussergewöhnlich warm, in den kommenden Monaten wird sich diese Warmwasserzunge weiter westwärts über immer grössere Bereiche des äquatorialen Pazifiks ausweiten. Der typischerweise für Hurrikans dämpfende Einfluss dieses Phänomens hält sich in der ersten Hälfte der Saison wohl noch in Grenzen, nimmt dann aber im Laufe der zweiten Hälfte zu. Auf der anderen Seite bewegen sich die Wassertemperaturen an der Meeresoberfläche im Atlantik weiterhin auf absolutem Rekordniveau. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändert – im Gegenteil. Der Grad der Anomalie ist erschreckend gross und seit Beobachtungsbeginn 1981 absolut einmalig, weshalb in dieser Hinsicht auch die Erfahrungswerte bezüglich der Hurrikansaison fehlen. Hohe Wassertemperaturen sind der eigentliche Motor für Tropenstürme!
Abb. 1: Durchschnittliche Meeresoberflächentemperatur im Vergleich mit den Jahren seit 1981; Quelle: climatereanalyzer
Abb. 2: Aktuelle Anomalie der Meeresoberflächentemperatur; Quelle: climatereanalyzer
1. Juni bis 30. November
Wie bereits oben erwähnt, startet die Saison offiziell erst am 1. Juni, doch das NHC (National Hurricane Center) beginnt bereits am 15. Mai mit der Überwachung und regelmässigen Veröffentlichungen. Sie dauert bis 30. November. Im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 entwickelten sich im Laufe einer Saison 14 benannte Stürme, davon 7 Hurrikans, davon wiederum 3 starke Hurrikans der Kategorie 3 und höher.
La Niña, viele Stürme
In den letzten drei Jahren entwickelten sich im Atlantik insgesamt 65 Stürme, die einen Namen erhielten. 30 davon allein 2020, was dieses Jahr zum aktuellen Rekordhalter macht. Auch die Saison 2021 war mit 21 Stürmen (Rang 3) hyperaktiv. Ähnliches wurde für 2022 erwartet, mit 14 Stürmen war die Saison aber "nur" durchschnittlich. Allen Jahren gemeinsam war La Niña. Schon seit längerem ist bekannt, dass La Niña die Bildung von Tropenstürmen und Hurrikans im atlantischen Becken begünstigt. Insbesondere die im Mittel geringere vertikale Windscherung im Entstehungsgebiet trägt dazu bei. Aber natürlich sind noch viele andere Faktoren wichtig, unterem anderem die Menge von Saharastaub über dem Atlantik.
La Niña ist inzwischen verschwunden, wir sind aktuell in einer Übergangsphase (ENSO neutral). Die Prognosen zeigen aber schon seit vielen Wochen, und die neusten Berechnungen erhärten dies, dass sich im Laufe des Herbstes El Niño etabliert und in weiterer Folge rasch verstärkt. In Jahren mit El Niño verschlechtern sich die Bedingungen für die Bildung von Tropenstürmen im Atlantik, typischerweise ist die Anzahl geringer und die Zugbahnen verlaufen tendenziell weiter östlich. Dies ist beispielsweise positiv für Zentralamerika und die westliche Golfküste, nicht aber für Florida und die Südostküste der USA.
Viel warmes Wasser
Neben ENSO ist auch ein sehr wichtiger Faktor die Wassertemperatur an der Meeresoberfläche im Entstehungsgebiet. Sie muss mindestens bei 26 bis 27 Grad liegen. Je höher, um so mehr Energie steht dem Sturmsystem zur Verfügung (über Verdunstung und Kondensation). Und hier zeigt sich ein durchaus besorgniserregendes Bild. Auf globaler Ebene bewegen sich die Wassertemperaturen zwischen 60 Grad Süd und 60 Grad Nord aktuell auf absolutem Rekordniveau! Im Vergleich der Jahre seit 1981 war die SST (Sea Surface Temperature) noch nie so hoch – und das mit grossem Abstand!
Abb. 1: Durchschnittliche Meeresoberflächentemperatur im Vergleich mit den Jahren seit 1981; Quelle: climatereanalyzer
Abb. 2: Aktuelle Anomalie der Meeresoberflächentemperatur; Quelle: climatereanalyzer
Prognosen
Aktuell liegen Prognosen von Tropical Storm Risk (TSR), ACCU Weather und der University of Arizona (UA) vor. Im Laufe des heutigen Tages folgen noch die Prognosen der Colorado State University (CSU). Während TSR und ACCU von einer durchschnittlichen oder leicht unterdurchschnittlichen Saison ausgehen, prognostiziert UA einen klar überdurchschnittlichen Verlauf. Letztere Prognose gewichtet die hohen Wassertemperaturen stärker, die anderen beiden den Einfluss des sich anbahnenden El Niño.
Quelle | Datum der Prognose | benannte Stürme | Hurrikans | starke Hurrikans |
ACCU | 30. März 2023 | 11 bis 15 | 4 bis 8 | 1 bis 3 |
TSR | 6. April 2023 | 12 | 6 | 2 |
UA | 7. April 2023 | 19 | 9 | 5 |
CSU | 13. April 2023 | 13 | 6 | 2 |