Typischerweise wird zwischen Mitte und Ende Februar in der Antarktis der Tiefpunkt der sommerlichen Meereisausdehnung erreicht, in der Arktis etwas verzögert im März das winterliche Maximum. Umgekehrt wird Mitte September in der Arktis jeweils die geringste Meereisausdehnung registriert, in der Antarktis hingegen die grösste. Diese Zeiträume eignen sich also besonders gut, um eine Bilanz zu ziehen.
Minimum der antarktischen Meereisbedeckung
Am 18. Februar erreichte die Meereisbedeckung in der Antarktis mit 1,97 Millionen km² ihr sommerliches Minimum, nach 2023 und 2022 ist das der drittgeringste Wert seit Beginn der Satellitenbeobachtung (praktisch gleichauf mit Platz zwei, 2022). Auffällig ist wieder die grosse Abweichung gegenüber dem langjährigen Mittel – und das nun bereits das dritte Jahr in Folge!
Abb. 1: Meereis-Ausdehnung in der Antarktis im Vergleich mit den Jahren seit 1979; Quelle: Zack Labe
Abb. 2: Meereis-Ausdehnung in der Antarktis im Vergleich mit den Jahren seit 1979; Quelle: Zack Labe
Nicht nur die Eisfläche ist sehr gering, sondern in den meisten Gebieten auch die Eisdicke. Besonders gross ist die negative Abweichung in der Westantarktis in der Bellinghausen See, der Amundsen See und dem Ross Meer. Im Gegensatz dazu ist das Eis im Wedell Meer dicker als üblich!
Abb. 3: Eisdicke und deren Abweichung von der langjährigen Norm; Quelle: Zack Labe
Mehr Eisbedeckung in der Arktis
In der Arktis zeigt sich ein etwas anderes Bild. Zwar ist im langjährigen Vergleich seit 1979 die Eisbedeckung gering, aber nicht in dem Ausmass wie auch schon. Im Vergleich mit dem Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 gibt es nun mehr Eis. Noch nimmt die Fläche leicht zu, das jährliche Maximum wird binnen der nächsten 1 bis 4 Wochen erreicht.
Abb. 4: Meereisbedeckung in der Arktis im Vergleich zu den Jahren seit 1979; Quelle: Zack Labe
Abb. 5: Meereisbedeckung in der Arktis im Vergleich zu den Mittelwerten der letzten Jahrzehnte; Quelle: Zack Labe
Abb. 6: Aktuelle arktische Eisbedeckung im Vergleich zu den Maxima der vergangenen Jahre; Quelle: Zack Labe
Zwar ist die Eisfläche wieder etwas grösser, nicht aber die Dicke und das Volumen! Das Eis wird dünner, kann sich dadurch aber wohl etwas schneller bilden und ausdehnen.
Abb. 7: Meereisdicke in der Arktis im Vergleich zu den letzten Jahren; Quelle: Zack Labe
Sommerbilanz des arktischen Meereises
Die minimale Meereisausdehnung in der Arktis betrug am 15. September rund 4.33 Millionen km², dies entspricht Platz 7 der geringsten Ausdehnungsflächen seit der detaillierten Datenerfassung ab 1979. Noch geringere Meereisflächen wurden allesamt nach 2007 gemessen (Rekordjahr 2012 mit 3.27 Millionen km²). Verglichen mit den Vorjahren verlief die Eisschmelze in der Ostarktis relativ langsam. Experten erklären sich dies mit den oftmals vorherrschenden Tiefdrucksystemen über dem russischen Teil der Arktis, welche zu einem überdurchschnittlichen Eisdrift von den arktischen Zentralregionen in die Ostarktis bewirkte. Gestützt wird dieser Erklärungsansatz auch von der Tatsache, dass das Meereis in dieser Region eine vergleichsweise höhere Eisdicke aufweist.
Abb. 1: Meereiskonzentration in der Arktis verglichen mit der Norm; Quelle: Meereisportal
Noch nie so wenig Meereis im antarktischen Winter
Im Februar dieses Jahres wurde mit etwa 2 Millionen km² die bis dahin geringste Meereisausdehnung in der Antarktis verzeichnet (vergleiche hierzu auch diesen Blog). Im darauffolgenden Südherbst und -winter konnte dieses Defizit nie ausgeglichen werden. Mehr noch, die Abweichung zur Norm oder dem bisherigen Negativrekord wurde in den vergangenen Monaten immer grösser, seit Mai wurden so in jedem Monat neue Rekorde aufgestellt. Zum Höhepunkt der Meereisausdehnung Anfang September wurde eine maximale Eisfläche von 17.16 Millionen km² verzeichnet. Das bisherige Rekordminimum wurde dabei um 880'000 km² unterschritten – mehr als die kombinierte Fläche von Spanien und Deutschland. Besonders gross ist das Defizit der Meereisbedeckung im Weddellmeer, der Kosmonauten See und dem Rossmeer.
Abb. 2: Fortlaufende Meereisausdehung der Antarktis ; Quelle: Meereisportal
Noch fast eindrücklicher als die absoluten Zahlen präsentieren sich die Anomalien, also die Differenz zu den Durchschnittswerten. Als Durchschnitt wird in diesem Zusammenhang oftmals die Zeitperiode 1981 bis 2010 verwendet. Auch wenn sich die negative Abweichung in den vergangenen Wochen etwas abgeschwächt hat, veranschaulicht die nachfolgende Grafik das laufende Jahr als extremen Ausreisser nach unten.
Abb. 3: Abweichung der Meereisausdehnung in der Antarktis verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 1981-2010; Quelle: Zach Labe
Globale Meereisausdehung
Bei der kombinierten Meereisausdehnung erreichen wir typischerweise Mitte November die grösste Ausdehnung. Dies kommt daher, dass in der Arktis die Meereisfläche zunächst noch rascher zunimmt als sie in der Antarktis schmilzt. Ab Mitte November beginnt dann die eigentliche Schmelzsaison auf der Südhalbkugel. Da die Antarktis deutlich grössere Eisflächen aufweist als ihr nördliches Gegenstück, kann der Eisflächengewinn auf der Nordhalbkugel den Rückgang im Süden nicht mehr kompensieren. Die Momentaufnahme verspricht aber auch in dieser Hinsicht nicht viel Positives. Derzeit erreichen die kombinierten Meereisflächen rund 21.3 Millionen km² und damit rund 4 Millionen km² weniger als im langjährigen Schnitt (rund das Doppelte der Fläche von Grönland).
Abb. 4: Globale Meereisausdehnung im Vergleich mit den Vorjahren; Quelle: Zach Labe
Aufgrund des aktuellen Trends ist nicht davon auszugehen, dass sich dieses Defizit rasch abbauen wird. Es wird wohl schon bald von neuen Rekorden zu hören sein.